15. September 2017

Die Deutsche Gesellschaft für Biofeedback ist eine praxisorientierte Fachgesellschaft, die sich bei ihrem Vorgehen an wissenschaftlich fundierten Forschungsergebnissen orientiert. Wir halten es deshalb für geboten, uns von Zeit zu Zeit kritisch mit (positiven wie negativen) Forschungsergebnissen über Bio-und Neurofeedback auseinanderzusetzen und Ihnen an dieser Stelle Ergebnisse bzw. Teilergebnisse der aktuellen Diskussion wiederzugeben.

Im aktuellen Fall handelt es sich um eine Forschungsarbeit, die am 18.08.2017 auf der Website der Eberhard Karls Universität Tübingen veröffentlicht wurde. Die dazugehörige Studie wurde unter der Führung von Tübinger Wissenschaftlern in der Zeit von Februar 2013 bis Dezember 2015 durchgeführt. Die entsprechende Publikation (in Englisch) kann auf der Website von The Lancet Psychiatry eingesehen werden.

Prinzipiell ist eine derartige, unter den Gesichtspunkten reine Operationalisierung und verwendetem Studiendesign betrachtet (Triple-Blind Design), gut konzipierte Studie zu begrüßen.

Kritisch zu betrachten ist speziell der folgende Punkt:

Um das Neurofeedback Procedere, im Sinne der experimentellen Vergleichbarkeit, konstant zu halten, setzen die Autoren ein “automatisches Schwellenwerttraining” ein. Die Schwelle wird dabei von der verwendeten Software fortlaufend (15 Sekunden Intervalle) so eingestellt, dass eine positive Verstärkung in 80% der Trainingszeit stattfindet (Positive Verstärkung: Die als Feedback gewählte Animation ist in Bewegung).

Konkret bedeutet dies: Die Schwelle passt sich den vom jeweiligen Gehirn gelieferten Amplituden der gemessenen Frequenzbänder bzw. hier dem gemessenen Theta/Beta Ratio an. Weiterhin bedeutet das: Nur in 20% der Zeit muss das Gehirn überhaupt eine Anpassungsleistung an die eingestellte Schwelle erbringen.

Auf den Punkt gebracht: Das automatische Schwellenwerttraining ist keine Trainingsbedingung, die in der Praxis angewendet wird, da der Anpassungsprozess des Gehirns an externe Reize (gerade eine Kernproblematik bei ADHS) hierdurch nicht trainiert wird. Auch im Rahmen der DGBfb Fortbildungen zum Thema Neurofeedback wird dies gelehrt.

Zum Thema “automatische Schwellenwertberechnung”: Der Vollständigkeit halber soll hier auch das SCP Neurofeedback, bei dem ebenfalls eine automatische Schwelle genutzt wird, betrachtet werden. Der Unterschied zu der gerade geschilderten Methodik liegt jedoch darin, dass sich die automatische Schwelle, die für ein bestimmtes Trainingsintervall (als Trial oder Durchgang bezeichnet) von der Software berechnet wird, fortlaufend auf einen kurz vorab gemessenen Wert bezieht. Dieser Wert soll dann, je nach Trainingsrichtung, für einen definierten Zeitraum über- oder unterschritten werden. Beim SCP Training wird also permanent eine externe Anforderung an das Gehirn gestellt.

Einordnung der Relevanz: Diese Studie bezieht sich in ihrer Aussage über die Effizienz eines Neurofeedbacktrainings, NUR auf die Behandlung von Erwachsenen im Altersbereich von 18-60 Jahren. Ein Vergleich mit der Neurofeedback Behandlung von Kindern ist daher nicht (direkt) möglich.

Hinweis zum Abgleich von berichteten Werten mit der einschlägigen Literatur:

Alle berichteten Theta/Beta Ratios sind logarithmiert (natürlicher Logarithmus) => Die E-Funktion muss daher angewendet werden, um die normalen Theta/Beta Ratios zu erhalten. Die Ratios decken einen Bereich von 2,58-5,42 ab (Werte durch Anwendung der Exponentialfunktion auf die in der Tabelle 5 der Publikation angegebenen Werte).

In diesem Fall liegt noch keine wissenschaftliche Stellungnahme abschließend vor, wir möchten Ihnen jedoch bereits jetzt den Stand der Diskussion in kurzen Stichpunkten zugänglich machen. Wir schicken auch voraus, dass eine wirkliche Klärung der strittigen Fragen meist nur in einer direkten wissenschaftlichen Diskussion möglich ist, weshalb wir die Autoren hiermit auch zur nächsten (möglichen) Jahrestagung der DGBfb e.V. 2018 einladen möchten.

Wir hoffen hierbei auf eine fruchtbare Diskussion, im Sinne von Anregung und nicht im Sinne von falsch und richtig.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Vorstand der DGBfb e.V.

(Dank ergeht auch an Frau PD Dr. Ute Strehl, die uns auf die Arbeit aufmerksam machte, sowie allen Mitgliedern, die Inputs zu der Diskussion gaben).

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